Nikolaus, der Taucher
Als Friederich der Held, nach Vielen Übelstand
Neapels Scepter aus Gregorius Händen wand, Gregor,
der Könige mit Sklavenketten führte,
despotischer durch Gottes Wort regierte,
als je im alten Römerland,
auf ihrem Kaiserlichen Throne
die Domitiane und Nerone;
so ging's dem Kaiser wie's so manchem König geht,
der ausser seiner goldnen Krone...
Nichts hat, wodurch der hohen Majestät
die Zeit halb schlummernd und doch gut vergeht...
So gingls nach hergebrachtem Brauch
den großen Kaiser Friedrich auch;
zwey Stunden sah er schon aus seinem Fenster
ins weite Meer, und hatte Nichts entdeckt
was Laune stört und Neugier weckt...
Auch Friedrich sah zuletzt, im weiten Meere
mit Wogen streiten einen Mann,
der bald im Abgrund lag, bald an den Wolken schwebte,
und der, obgleich die Fluth ihn zu verschlingen strebte,
doch immer kühn den schweren Sieg gewann,
bis er Sicilien erreichte...
Hier steht er nun, mit dunkelbraunen Wangen,
mit krausem Bart und abgeschornem Haar,
mit schwarzen kleinen Aug, aus welchem Blicke drangen,
die Friederichen selbst, der Held und Weiser war,
zum Zittern und Erstaunen zwangen.
Hier
steht er nun, mit dunkelbraunen Wangen,
mit krausem Bart und abgeschornem Haar,
mit schwarzen kleinen Äug', aus welchem Blicke drangen,
die Friederichen selbst, der Held und Weiser war,
zum Zittern und Erstaunen zwangen.
Sein kurzer Leib, gedrängt und vest
zeigt Muskeln die ein Paar von Ceilons Schlangen
erdrücken, und ein ganzes Löwennest,
trotz einem Herkules, zerstören können.
“Was soll ich Herr vor deinem Throne?”
Mir sagen wer du seyst! erwiedert ihm
der Kaiser stolz. “Ein Mensch, der mit dem Ungestüm
“des Meeres ringt, so Er, der von den Sitten
“des vesten Landes wenig weiß;
“doch der dabey, vergebt Herr Kaiser, mehr gelitten,
“mit größeren Gefahren schon gestritten
“als ihr vor Rom; nur daß ich meinen Schweiß
“noch immer baar bezahlt bekommen,
“wenn ich von Napel bis Sicilien geschwommen”
Das kannst du? - “]a, Herr Kaiser, ich kann viel
“was man mir nicht auf meiner Stirn geschrieben,
“und meine Kunst ist nicht ein Taschenspiel;
“doch sollt' mein Name wohl euch unbekannt geblieben
“euch Nicolas noch nicht genennet seyn?”
Du Nicolas, der weltberühmte Schwimmer?
Der wie man sagt, oft Tage lang allein
das Meer bewohnt, der Schiffe Trümmer,
eh sie am Ufer sind in seine Arme nimmt,
bald nach Neapolis bald nach Meßina schwimmt?
Der viele Tage lang das Meer zu seinem Tische,
zu seiner Speise rohe Fische
und Austern hat? Du bist der seltne Mann
der solche Wunder leisten kann?
“Ja Herr ich bins, und es ist keine Lüge
“was euch der Ruf von mir gesagt;
“kein Strudel ist in den ich mich nicht schon gewagt,
“und den ich nicht mit meiner Brust durch pflüge;
“des Meeres Grund ist mir so wohl bekannt,
“als manchen kaum sein Vaterland,
“und läge nur ein Schatz in des Charibdis Schlünden,
“ich wollt ihn schon trotz allen Strudeln fınden.”
Ist dieß dein Ernst? “Herr Kaiser, traun, ihr wißt,
“daß mit den großen Herrn kein gutes Spaßen ist,
“und habt ihr Goldes zu verlieren,
“so werft's hinein, ich will es bald ans Tageslicht,
“vor Euer Aller Angesicht,
“der wilden Meeres Fluth entführenl”
Ich halte dich beim Wort! wir wollen sehn,
was du vermagst, längst wünscht ich von den Schlünden,
der Scilla die Natur, den Boden zu ergründen:
du glaubst die Kunst des Tauchens zu verstehn,
wohlan, du sollst in diesen Schlünden,
ein goldnes Trinkgefäß zu deinem Lohne finden;
so wie der Morgen graut werd ich zu Schiffe gehn,
vor deinen Augen diesen Becher,
aus Gold gediehen, in die Fluth
der Scilla werfen; hast du dann nicht Muth,
treu deinem Wort zu seyn, so wirst du als Verbrecher
zum Kerker fortgeführt; doch stürzest du herein,-
so ist der goldne Becher dein.
“Verzeiht Herr Kaiser, wenn ich aber drinnen bliebe,
“was wär's denn dann? - Doch weil ich einmal muß
“so mag's drum seyn! Kein Kraut hilft für die Liebe,
“kein Kraut hilft für den Tod!”
Der Kaiser lächelt, und ein gnadevoll Geboth
befiehlt ihm mit dem Morgenroth
des andern Tags zurückzukehren,
doch jetzo langer nicht den Kaiser zu beschweren...
Kaum taucht Titania den rosenfarbnen Mund
in die beperlten Meereswogen,
so macht Trommeten Schall Meßina's Volke kund,
der Kaiser habe jetzt das wilde Meer bezogen,
durch Nicolas den tiefen Schlund
der Scilla und Charibdis zu ergründen!
Und alles was zwey Beine hat
stürzt wie besessen aus der Stadt
den Kaiser noch am Strand zu finden.
Sie stürzen hin, da schwebt auf stillem Meer
der prächtge Zug; zweyhundert Ruder kahnen,
bepflanzt mit goldgewirkten Fahnen
des Kaisers Majestät, und vor ihm her
rauscht eine Gondel wo aus schmetternden Trommeten,
ein Jubelchor dem Tag entgegen schallt
von dem der Ton sich kaum ins Meer verhallt
als schon ein andres Chor von Hörnern und von Flöten,
das sanftre Herz melodischer durchwallt.
Dem Kaiser folgt in einem leichten Kahne
der Schwimmer Nicolas, und seine Miene zeigt,
daß er das Meer beim wüthendsten Orcane
auch ohne Schiff und ohne Furcht besteigt....
Wir sehn indeß Meßina's Volk gerührt
und voll Erwartung stehn, sehn schon den Becher blinken
den Kaiser Friederich mit seinem Schnupftuch winken,
und jetzo, wie vom schnellsten Blitz geführt
den Becher in die Fluth versinken.
Gott! ruft das Volk; da stürzt sich in die Fluth
Held Nicolas, und ist im Nu verschwunden!...
Der Himmel ist gerecht! doch ach! zwey viertel Stunden,
sind schon dem Volk” erwartend hingeschwunden,
umsonst, kein Nicolas erscheint;
der Kaiser ist bestürzt, der Hofstaat scheint,
des Kaisers wegen, auch betroffen;
die Priester werden ernst, manch schönes Auge weint,
und nur der Hofpoet, der in der Kunst zu hoffen
geübt war, er allein verliert noch nicht den Muth;
als plötzlich sich aus der beschaumten Fluth
ein rasselndes Geräusch erhebet, und wie zur Oberwelt von Pluto's Thron gesandt,
den goldnen Becher in der Hand,
Held Nicolas hoch auf den Wogen schwebet!
Es lebe Nicolas, es lebe Nicolas!
ruft, schreyt, und tobt ohn Unterlaß
der Pöbel erst und dann der Kaiser,
Es lebe Nicolas! Es lebe Nicolas!
schreyt's immer noch - doch mir wird schon die Stimme heiser
und meinen Lesern? - pa! im modigen Gedicht
denkt man an seine Leser nicht....
Kaiser Friedrich will den Nicolaus zum Ritter schlagen; dieser
jedoch verzichtet, küßt dem Kaiser die Hand und:
Herr Kaiser, sagt er, wenn es euch gefällt,
so laßt mich immer auf dem Meere,
im Wasser bin ich zwar ein Held,
wer weiß was ich auf vestem Lande wäre.
“So bleibe was du bist, erwiedert Friederich,
kein Zwang ist gut; doch eh du dich
von mir entferntst, mußt du dein Wort erfüllen,
mit Wundern, die du sahst, jetzt meine Neugier stillen."
Herr Kaiser, Wunder sah ich nicht
so Nicolas, auch war die Zeit zum sehen
so genau gezählt, und in dem tiefen Grund das Licht
so sparsam ausgetheilt, daß Wunder zu erspähen
unmöglich war; kaum daß ich diesen Becher fand,
den mir sein Glanz verrieth der halb im Sand,
dem Sande schien der Boden hier zu gleichen,
so vest wie eingemauert stand.
Nur mühsam konnt ich ihn mit meiner Hand
die kalt und ohne Leben war erreichen,
ich zog ihn zu mir her, und dachte nun
an weiter nichts als gut heraus zu kommen.
Ja Herr, ich habe viel im Leben schon geschwommen,
doch diesen Sprung zum zweytenmal zu thun,
kann Euer Kaiserthum im Grunde liegen,
ich gönn es warlich mit Vergnügen
dem der gleich mir sich in den Strudel stürzt.
“Wie Nicolas, ist so dein Muth gesunken?
“frägt Friederich, ein goldner Becher würzt,
“doch sonst so manches Leid; Gold facht erloschne Funken
“des Muths in ganzen Heeren an,
“und sollte dich nicht mehr bewegen können?
“Was ist für dich das Meer? ein kühner Mann
“muß über sich nie der Gefahr den Sieg vergönnen;
“leicht ist was man mit Muth beginnt, gethan;
“versuch es noch einmal mir von den Wunderdingen
“die Scilla's Grund vergräbt, Bescheid zu bringen;
“du sollst auch dann zum Lohn, aus feinem Gold
“den zweyten Becher und noch hundert Gulden fınden.”
Das Glück, so Nicolas, ist uns nicht immer hold
und daß ich aus den grausen Schlünden
zu Tage wieder kam, die Wahrheit zu gestehn
war Nichts als Glück Herr Kaiser;
und wie ihr wißt, macht die Erfahrung weiser
drum laßt in Gnaden mich nach Hause gehn,
und einem Anderen das viele Gold verdienen.
“Verwegner, fiel der Kaiser ein, mit Mienen
“die Zeugen seines Zornes sind,
“mit Worten muß ein Mann, nicht wie ein Kind
“mit seinen Puppen spielen;
“was erst Verdienst, kann itzt nicht Zufall seyn,
“kein Blinder wird nach einer Scheibe zielen;
“du rühmtest dich die kühne Kraft sey dein,
“bis in den tiefsten Grund des Meers zu tauchen,
“und diese Kraft, ich will”s, du sollst sie jetzt gebrauchen."
Herr
Kaiser, zürnt mir armen Schwimmer nicht,
wenn ihr befehlt muß ich umsonst es wagen,
was kann ein armer Knecht zu seinem Kaiser sagen,
und wolltet ihr mir ins Gesicht
mit Euern hohen Händen schlagen,
ich würd' es ohne Murren tragen,
geduldig seyn ist eines Christen Pflicht,
und bey den Heiligen ich bin kein Bösewicht;
acht Tage fleh ich nur um Zeit mich auszuruhn,
dann will ich was ihr wollt, ja alles gerne thun.
“Die Zeit sey dir vergönnt, man soll sogar zum Zeichen
“der Kaiserlichen Gunst, in meinem Schloß
“dir Speis' und Trank aus meiner Küche reichen”
Der Kaiser spricht's, und sanft gerudet, floß,
auf Mittag zeigt der Zeiger aller Uhren,
des Kaisers Gondel nach Meßina's schönen Fluren.
Bekümmert schleicht der große Nicolas
dem Schlosse zu, und hört das Lustgetümmel
des Volkes nicht; in seiner Noth vergaß
er Volk und Ruhm, und denkt nur an den Himmel
und an des Wassers Schutzpatron,
„Achl seufzt er, wär doch jeder Erdensohn
so klug, und hütete sich vor der Gunst der Fürsten;
veranderlich ist Alles was am Thron
gedeiht und blüht; der schwerer rungne Lohn,
nach dem getauscht, oft tausend Zungen dürsten
ist meist ein Köder, der den Unerfahrnen reizt
mit ihm, noch eh er's weiß, sein Herz sich zu zerreißen.
Wer nach dem Glanz der Fürstenliebe geizt,
der kann mit Recht der Thoren Erster heißen,
entkräftet und verarmt sieht er zuletzt,
kann ihn sein Fürst nicht mehr wie sonst gebrauchen,
daß man nicht ihn, nur seinen Herrn geschätzt...
Der Tag erscheint, die schwere Stunde naht,
und Nicolas muß sich zum Kampfe rüsten;
und schon verläßt mit Kaiserlichen Staat
derselbe Zug wie erst Meßina's reiche Küsten;
Trommetenschall durchbebt die Luft,
die golddurchwirkten Fahnen flimmern
die hellpolirten Waffen schimmern,
und mancher hochgepriesner Schuft
scheint einem Gotte gleich im Kreise seiner Diener;
man scherzt und lacht und auchzt und trinkt;
selbst Nicolas, dem schon der Strudel winkt,
wird durch des Weines Kräfte kühner,
und sieht im Geist sich schon, den Becher in der Hand,
zurückgekehrt zum sichern Strand.
Doch nicht das Volk; je näher man dem Ziele
auf stillem Wogentanze schwebt,
je mehr verräth's durch Stille die Gefühle
die Fürstenstolz mit Gold zu unterdrücken strebt...
das Murren ist erstickt,
und keiner wagt den Schwimmer mehr zu nennen,
als man den Herold schon erblickt
Der Becher scheint in seiner Hand zu brennen
so wie das Sonnenlicht ihn trift,
und giebt zum zweyten kühnen Werke,
durch seinen Glanz dem Schwimmer neue Stärke,
der auf geschmückten Boot der Scilla Schlund umschifft.
Der Kaiser winkt und von der Fluth verschlungen,
ist das verführerische Gold.
und Nicolas, für den gedungnen Sold
mit minder Stolz als Furcht, dem Becher nachgesprungen.
Ein schaudernd Ach! tönt von dem Volk am Strand
dem Kaiser zu, und scheint ihm anzudeuten
wie Furcht uncl Zorn in ihren Seelen streiten.
Mit der Gefahr des Völker Zorns bekannt,
verläßt sein Auge nicht die Fluthen,
er zählt mit Aengstlichkeit die schrecklichen Minuten
in denen Nicolas noch unter Wasser bleibt,
und hoft mit jeder, nun wird Er erscheinen!
Doch stets umsonst, die wilde Scilla sträubt
sich stolz, mit Friedrichs Macht die ihre zu vereinen.
Die Furcht des Kaisers wächst; der unzufriedne Sinn
des Volkes läßt sich immer lauter hören;
so wie die Woge rauscht blickt Alles hin,
um trauriger, getäuscht sich wegzukehren.
Kurz eine Stunde war entflohn,
und Nicolas ist immer nicht erschienen,
und Friedrich muß zuletzt des Mittels sich bedienen,
das Fürsten nur gedeiht, muß wie ein Göttersohn
erst staunen, zürnen, drohn,
mitleidig dann den Sterblichen bedauern,
und die Nothwendigkeit betrauern,
daß oft der Einzelne dem Allgemeinen stirbt.
Nachdem er dis gethan und seiner Kriegeswachen
geschärftes Schwerdt beim Volk Gehorsam ihm erwirbt,
schwimmt er ganz wohlgemuth in seinem prächt'gen Nachen
Meßina's Strande wieder zu,
indeß Held Nicolas in guter Ruh
bei seinem goldnen Becher modert,
und einst am jüngsten Tag die hundert Gulden fodert.
Franz
von Kleist
erschienen in der “Deutsche Monatsschrift,
September bis Dezember, 3 Voll,
Berlino
1792
www.colapisci.it
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